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Corona-Krimi I: Verhängnisvolles Wiedersehen

Veröffentlicht am 07.08.2020

Eine Reihum-Geschichte, die drei kreative Schreiberinnen währen der Corona-Zeit gemeinsam zu Papier brachten. Abenteuerliche Wendungen und Figuren, die sich spontan weiterentwickeln durften. Immer nach einer Seite wird ein kleiner Cliffhanger aufgebaut, dann durfte die nächste weiterschreiben.   

Steffi starrt durch die Fensterscheibe. Ihre Augen versuchen,  die tintige Schwärze des U-Bahn-Tunnels zu durchdringen. Da drinnen scheinen Raum und Zeit still zu stehen, während die Bahn, in der sie sitzt,  gleichmütig weiterrattert. Tamtatamtatamtatatam. "Nächster Halt Bahnhof Zoologischer Garten", näselt  die  Frauenstimme aus dem Lautsprecher. Menschen quellen hinaus, andere herein, es riecht nach Pfeifentabak und Zwiebeln, Vanille und frischem Schweiß.

Ein schwergewichtiger alter Mann macht sich neben ihr breit, ihr gegenüber sitzen drei Jugendliche mit roten Käppis, die beinahe zärtlich über ihre Smartphones wischen und keinen Blick für sie übrig haben. Steffi ist es recht, sie ist hundemüde von der Arbeit, bei der sie sich jede Minute mit Menschen beschäftigen muss: kleinen und großen, dicken und dünnen, allesamt körperlich beeinträchtigt, versehrt, verwundet an Körper und Seele. Viele einsam, manche liebenswert, alle bedürftig nach Gesprächen, nach einem guten Wort, einem sanftem Streicheln der ambulanten Krankenpflegerin.

Steffi schließt die Augen, wie freut sie sich auf ihre Wohnung, auf dieses weiche Nest, das sie sich gebaut hatte. Mit Kissen und Überwürfen in warmen Farben, mit kleinen Buddhas im Bad, Kerzen in filigranen Ständern und afrikanischen Holzmasken. Sie will erst einmal eine heiße Dusche nehmen, sich dann einen Granatapfeltee gönnen und die Ruhe genießen. Vielleicht ein Eis auf dem Balkon schlecken und den Blick über das frische Grün des Grases gleiten lassen, in dem erste blaue Krokusse  sprießen. Die Farben des Frühlings hübschen den schäbigen kleinen Hinterhof mit dem handtuchgroßen Gärtchen mitten im Prenzlauer Berg auf.

So versunken ist sie, dass die Durchsage sie wie ein sanfter Schlag auf die Schulter trifft. "Nächster Halt Ernst Reuter Platz". Eilig packt sie ihre Tasche und stößt, schiebt und drängelt mit anderen aus der Tür hinaus

"Mensch, Steffi, gut,  dass ich dich treffe!", ruft eine laute Stimme. Sie dreht sich inmitten der Menge, die zum Ausgang strebt,  um und reißt überrascht die Augen auf.

„Paul! Was machst du in Berlin?“ Während Steffi den schlanken Mann in mittleren Jahren anschaut, der in seinen dunkelblauen Jeans und dem gelben Poloshirt eine gute Figur macht, spielen sich in ihrem Gehirn gewaltige Szenen ab.  Wie bei einem Traum, der nur Sekunden dauert, aber eine ganze Geschichte erzählt.

Vor 10 Jahren, als sie Dr. Paul Kramer bei einem zweiwöchigen Seminar für orthopädische Chirurgie in Berlin kennenlernte,  verstanden sie sich auf Anhieb gut und unternahmen ab und zu eine Kneipentour. Eines Abends,  als sie sich bei einem Glas Wein unterhielten, fragte Paul:

„Steffi, ich habe einen Auftrag bei „Ärzte ohne Grenzen“ bekommen und muss in zwei Tagen nach Syrien abreisen.  Meine Kollegen in Idlib benötigen sofortige Unterstützung, nachdem dort keine Ruhe einkehrt und viele Verletzte dringend orthopädische Operationen und medizinische Versorgung benötigen.  Könntest du dir vorstellen nachzukommen? Bitte Steffi, ich brauch‘ dich dringend und nicht nur beruflich.  Wir wären ein tolles Team, oder?“

Vier Wochen später stand Paul am OP-Tisch in einem heißen Zelt, während Steffi die Kranken versorgte.  Die Amputationen bei kleinen Kindern, denen bei Bombenangriffen ein Bein zerfetzt worden war, Männer und Frauen, die beim Einsturz von Gebäuden Gliedmaßen verloren und keine Chance auf künstliche Prothesen hatten, waren an der Tagesordnung.  Von morgens bis abends wurde operiert, improvisiert und oft ein Stoßgebet gen Himmel geschickt.

Zwischenzeitlich waren Steffi und Paul ein Paar, sie trösteten sich gegenseitig und machten sich Mut,  die Strapazen weiter zu erdulden, den Menschen zu helfen und nicht aufzugeben. Einige Monate später brach Steffi bewusstlos bei der Versorgung eines Patienten zusammen. Burn-out!

„Paul, bitte bleibe hier, während ich nach Deutschland zurückfliege und dort versuche, mein Leben in den Griff zu bekommen. Ich werde dich unglaublich vermissen. Wir bleiben in Kontakt, es gibt doch Skype, Whats-App und E-Mail, und ab und zu hast du auch Heimaturlaub. Das schaffen wir schon!“

Doch die Kontakte wurden immer weniger. Sporadisch kam eine E-Mail, bis die Gefühle langsam verebbten und eine große Leere zurückblieb.

Steffi blinzelt, ist wieder in der Gegenwart und schaut Paul mit traurigen Augen an.

Paul lächelt sie an: „Komm‘, lass‘ uns einen Kaffee trinken gehen. Ich muss unbedingt mit dir reden.

Steffi, hundemüde wie sie ist, nickt, obwohl sich alles in ihr sträubt. Sie hat so lange nichts mehr von ihm gehört, mit keiner noch so kurzen Mail hat er ihr das Gefühl vermittelt, dass er sich noch mit ihr verbunden fühlt. 

„Wie lange bist du schon in Berlin?“ fragt sie, nicht sicher, ob sie die Antwort hören möchte. Ohne erkennbare Reaktion auf ihre Frage hakt er sie unter und zieht sie mit sich über den Platz. Er steuert auf das Butenschön zu, ein recht angesagtes Lokal in der Gegend. Als sie eintreten merkt sie, dass man ihn hier gut kennt. Sie bekommen einen Platz am Fenster und skeptisch sitzt sie ihm nun gegenüber.    

„Also nochmal: wie lange bist du schon wieder hier?“, stellt sie ihre Frage erneut, mit etwas mehr Nachdruck in der Stimme. Er sieht sie nicht an, sein Gesichtsausdruck spricht Bände. Der Kellner kommt, um die Bestellung aufzunehmen. Doch auch dieser kleine Aufschub rettet ihn nicht vor einer Antwort. „Vier Jahre“, sagt er leise und Steffis Brustkorb wird eng. „Vier Jahre?“, wiederholt sie. „Das glaub ich jetzt nicht. Kein Anruf, keine Whats-App? Meine Handynummer hat sich nicht geändert. Warum?“  

„Das ist nicht so leicht zu sagen“, beginnt er zögerlich, und seine Erklärung setzt Nadelstiche in Steffis Magengrube.      

Nach ihrer Abreise aus Idlib fiel er in ein tiefes Loch. Die unglaubliche Belastung Tag für Tag, das Elend und die Verzweiflung der Menschen wären kaum noch zu ertragen gewesen. Doch da war Daja, eine syrische Krankenschwester, Steffi kann sich noch dunkel an sie erinnern, und sie fing ihn auf. Mit ihr fand er neue Kraft um weiter zu machen – auch privat. Ein Jahr dauerte sein Einsatz noch in Idlib, dann flog er nach Deutschland zurück – mit Daja! Kurz nach seiner Rückkehr heirateten sie, und nach einem weiteren Jahr kam die kleine Samira zur Welt. Alles lief gut. Paul arbeitete wieder an der Charité auf der Orthopädie und war inzwischen Leitender Oberarzt.

„Glückwunsch“, murmelt Steffi, und er sieht sie irritiert an.

Es hätte wohl alles so schön weiter laufen können, doch dann wurde Daja sehr krank. Der Verlauf ihrer Erkrankung war rapide.     

„Vor sechs Monaten ist sie gestorben, seitdem bin ich mit Samira allein. Sie ist jetzt zwei Jahre alt,  und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“. Inzwischen laufen ihm Tränen übers Gesicht, und er ergreift ihre Hände. „Kannst du mir nicht helfen? Wir waren uns doch einmal so nah“.

Steffi hat das Gefühl, als ob sie in einem Karussell sitzt. In ihrem Kopf dreht sich alles, sie begreift nicht, was sie gehört hat. Paul? Verheiratet? Vater? Witwer? Sie öffnet den Mund und weiß doch nicht, was sie sagen soll.

Pfft, pfft, summt es laut in die Stille hinein. Versteinert beobachtet Steffi, wie Paul hektisch in seiner Hosentasche kramt und ein Handy herauszieht. „‘tschuldigung“, murmelt er und wirft einen Blick auf die Nachricht. Schaut ungläubig noch einmal hin. Stößt einen Schreckenslaut aus.

„Steffi, ich muss …Du sollst, …ich weiß gar nicht, wie…Himmelherrgott!“,  flüstert er, schaut sich erschrocken um und springt auf. Seine Augen irrlichten durch das Café, panisch. Steffi begreift nicht, was plötzlich in ihn gefahren ist.

„Steffi, ich muss weg. Sie sind hinter mir her! Es ist – es ist gefährlich. Ich habe in Syrien etwas entdeckt, das …es kann Menschenleben retten!“

Hastig kritzelt er eine Nummer auf ein Stück Papier.

„Meine Handynummer! Aber gib‘ sie niemand weiter, hörst du, niemand! Ich muss Dich wiedersehen. Aber jetzt…“

Er vollendet den Satz nicht, stürzt los, reißt den Stuhl beinahe um und hastet aus dem Café.

Steffi schluckt trocken. Es dauert endlos, bis sie sich aufrafft und zahlt. Und mit kleinen, unsicheren Schritten zur Türe geht.

Was war das? Träumt sie? Es fühlt sich an, als ob sie aus ihrem gewohnten Leben herauskatapultiert worden wäre. War das wirklich Paul? Ihr Paul? Nein, er gehört nicht mehr ihr - sie stößt ein bitteres Lachen aus. Lässt die Türe hinter sich zufallen und steht wie betäubt am Kudamm, wo der Verkehr vorbeibraust.

Ein schrilles Quietschen lässt sie hochschrecken. Ein schwarzer Mercedes  bremst vor ihr ab, die Beifahrertüre wird aufgestoßen. Ein dunkeläugiger Mann mit schwarzem Bart springt heraus, packt sie am Arm und zerrt sie zur hinteren Wagentüre, die sich blitzschnell öffnet. Ehe es Steffi sich versieht, wird sie in den Fond des Wagens hineingestoßen. Mit einem lauten Klacken werden die Türen verriegelt, das Auto fährt los.

Mit schreckgeweiteten Augen starrt Steffi den vierschrötigen blonden Kerl  neben sich an. Der fletscht die Zähne und zischt: „Wo ist er?“

„Wer?“, stammelt Steffi.

„Der Doktor! Paul Kramer! Wo ist er?“

„Ich weiß es nicht, was wollen Sie von mir?“ , fragt Steffi mit zittriger Stimme und drückt sich gegen die hintere Wagentür – weit weg von diesem Bodybuilder-Typen.

„Fred, gib Gas“, ruft er dem Fahrer zu, „der Herr Professor wartet.“
Nach kaum zehn Minuten Fahrt sieht Steffi beim Vorbeifahren noch den Namen „Smith“ an einem modernen Gebäude mit Glasfassaden, während der schwarze Mercedes in die Tiefgarage einbiegt und mit quietschenden Reifen stehen bleibt.

„Aussteigen!“, herrscht der Bodybuilder sie an und zerrt Steffi vom Rücksitz. Mit stahlhartem Griff hält er sie am Oberarm fest und schiebt sie vor sich den Gang entlang. Links und rechts sieht Steffi geschlossene Türen. Im Vorbeigehen hört sie Quieken, Bellen von Hunden und Katzengeschrei.  Am hinteren Ende des Flurs stößt Fred Steffi unsanft in den Lift.  Stockwerk 12 leuchtet auf als Steffi aus dem Lift tritt und sich den schmerzenden Oberarm reibt. Die Bürotür gegenüber öffnet sich, und ein älterer, distinguiert aussehender  Herr mit weißen Haaren tritt auf Steffi zu.

„Kommen Sie herein, meine Liebe“, lächelt er charmant, während er sich Fred, dem Fahrer, und dem Bodybuilder zuwendet.  „Wartet hier vor der Tür. Ich habe noch eine Aufgabe für Euch.“ Steffi liest das Namensschild an der Tür: Professor Carsten Walter.

„Wo ist Dr. Kramer? Hat er Ihnen die Formel gegeben? Die Formel für die antiseptische Salbe?“, bellt Professor Walter. Von einem Lächeln keine Spur mehr. Professor Walter reißt Steffi die Handtasche aus der Hand und kippt den Inhalt auf seinen Schreibtisch. Ungeduldig wühlt er zwischen Lippenstift, Taschentuch, Handy und Geldbörse herum, wirft alles in die Handtasche zurück und drückt sie Steffi in die Hand.

Steffi schaut ihn entsetzt an.
„Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.  Ich habe Paul Kramer heute nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder gesehen. Ich weiß nichts von einer Formel oder irgendwelchen Kräutersalben. Lassen Sie mich in Ruhe!“

„Fred“, ruft Prof. Walter laut, während er die Tür aufreißt. „Nehmen Sie die junge Dame mit. Sie wissen, was zu tun ist.“
Steffi greift in ihre Jackentasche. Sie spürt den  kleinen Zettel mit Pauls Telefonnummer. Die Tür des Lifts schließt sich.

Während der Aufzug lautlos abwärts gleitet, mustert Steffi ihre Entführer. Die beiden wirken ziemlich teilnahmslos, wechseln nur wenige Worte, die ihr jedoch die Kehle zuschnüren. „Der Alte will wohl die harte Tour fahren“, meint Fred. Der Blonde lacht hämisch: „Es wird mir ein Vergnügen sein“. Der Lift kommt nach längerer Fahrt endlich zum Stehen, der Blonde bugsiert Steffi ziemlich grob auf einen fensterlosen Gang hinaus. Sie sind wohl im Keller des Gebäudes, die Luft ist abgestanden, es riecht nach – ja, nach was? überlegt sie, aber eigentlich ist sie in ihrer Angst zu keinem klaren Gedanken fähig.    

Sie wird in einen kleinen, ebenso fensterlosen Raum gestoßen, die Tür schlägt zu. Steffi sieht sich um, doch dazu bleibt ihr nicht viel Zeit, denn das Licht der funzeligen Glühbirne, die von der Betondecke baumelt, erlischt. Die vollkommene Dunkelheit, die sie nun umgibt, lässt sie kaum atmen. Sie lässt sich an der Wand zu Boden sinken.    

„Mein Gott, wo bin ich da hineingeraten“, fragt sie sich verzweifelt und langsam kommen die Tränen bis sie hemmungslos zu schluchzen beginnt.

Sie könnte nicht sagen, wie lange sie schon in diesem schwarzen Grauen sitzt, als sich die Tür öffnet und das Licht wieder aufflackert. Die beiden Kerle betreten den Raum, der Blonde zieht sie vom Boden hoch und baut sich vor ihr auf. „So, Fräuleinchen, jetzt mal Butter bei de Fische und zwar ein bisschen plötzlich. Wo ist dein Freund?“, bellt er sie an. „Und ich sag dir gleich: wir haben wenig Zeit und noch weniger Geduld.“

Steffi beginnt unkontrolliert zu zittern und bringt erst einmal kein Wort heraus. Die erste harte Ohrfeige trifft sie unvorbereitet. Sie taumelt zur Seite. „Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von mir wollen und um was es hier geht. Und wo Paul ist, weiß ich erst recht nicht“, bricht es aus ihr heraus. Die nächste Ohrfeige lässt sie in die Knie gehen.                                                                        „Wie du willst“, zischt Fred. „Wir kommen wieder. Überleg dir gut, was du uns dann erzählst.“

Die Tür fällt ins Schloss. Erneut umgibt Steffi diese undurchdringliche Finsternis. Wie eine stählerne Decke legt sie sich auf sie. Ihr ist furchtbar kalt, sie zittert. Ein Schluchzen quetscht sich aus ihrer Kehle hoch. Sie will es unterdrücken, aber es geht nicht, der Kloß will raus aus ihrem Hals. Die Tränen rinnen ihr die Wangen hinab, leise weint sie vor sich hin, dann wird sie hin und her geschüttelt von wilden Schluchzern.

Das war’s, denkt sie. Langsam versiegen ihre Tränen, sie rotzt in ihren Ärmel, der schon ganz nass ist. In der Hosentasche ihrer Jeans tastet sie nach einem Taschentuch, findet aber keines. Aber da – ein Feuerzeug! Und ein Fetzchen Papier. Schnell lässt sie das Feuerzeug aufflammen. Auf dem Papier steht die Handynummer von Paul.

Ach, Paul! Aber was nützt ihr das? Der blonde Gorilla hat ihr die Handtasche abgenommen. Sie hat kein Handy, nichts. Doch sie merkt, wie ihre Lebensgeister wieder erwachen. Das war’s? Na wartet, ihr sollt mich kennenlernen, denkt sie und ballt die Fäuste. Denk nach, Steffi, du hast auch in Syrien nie den Mut verloren!  Aber was kann ich denn tun? Da ist die zaghafte Stimme wieder in ihr. Kämpfen, sagt die starke Steffi grimmig. Kämpfen! Steh‘ auf! Mach‘ dir Licht mit dem Feuerzeug! Untersuche den Raum, in dem dich diese Schweine festhalten. Irgendetwas…

Weiter kommt sie nicht. Plötzlich wird die Türe aufgestoßen, ein greller Lichtstrahl fällt von draußen hinein. Der blonde Bodybuilder steht in der Tür,  auf dem Arm trägt er etwas. Stellt es in den Raum hinein und lacht hässlich.

„Gesellschaft für dich! Mal sehen, ob der Doktor jetzt nicht angekrochen kommt!“

Rumms, die Türe fällt wieder ins Schloss. Zugleich strahlt helles Licht von der Decke. Offenbar hat er von außen das Licht angeschaltet. Der Schein der nackten Glühbirne fällt auf ein kleines, verheultes  Kind, das Steffi mit großen Augen verängstigt anstarrt. Es sind Pauls grüne Augen. Steffi hält den Atem an.

„Wer bist denn du?“, fragt sie leise und streckt vorsichtig die Hand nach dem kleinen Mädchen aus. Das steht stocksteif da. Dann flüstert es:

„Mira“

Das ist Pauls Tochter, Samira, denkt Steffi entsetzt.
Oh, mein Gott. Die Gangster schrecken vor nichts zurück.  Die kleine Mira steht in ihren dunkelblauen Jeans und dem rosa T-Shirt mit dem grauen Elefanten auf der Brust ganz verloren vor ihr. Ihre schwarzen Haare sind mit kleinen Schmetterlingsklammern zurück gehalten. Steffi zieht das kleine Mädchen vorsichtig an sich und sagt: „Ich bin Steffi, du brauchst keine Angst haben. Ich pass‘ auf dich auf!“  Steffi setzt sich auf den kalten Boden, lehnt sich an die Wand und nimmt die kleine Mira auf ihren Schoß, wärmt sie mit ihren Armen.  Mira beginnt zu schluchzen, klammert sich an Steffi fest. Die Kleine beruhigt sich erst, als ihr Steffi den Rücken streichelt und mit zittriger Stimme „Guten Abend, gut‘ Nacht“ vorsingt. Kurze Zeit später ist Samira eingeschlafen, während bei Steffi das Kopfkarussell im Turbomodus arbeitet.

Wie kommen wir hier wieder heraus? Was werden die beiden uns antun? Sind sie so abgebrüht und bringen uns um? Machen sie für Geld alles? Ist die Polizei eingeschaltet? Wird uns Paul finden? Lieber Paul, bitte, bitte … .
Steffi schließt verzweifelt die Augen. Sie muss erschöpft eingeschlafen sein und kommt langsam zu sich, als sich Mira bewegt und weinerlich sagt: „Ich muss Pipi!“
Steffi setzt die kleine Samira neben sich auf den Boden, steht auf und geht zur Tür.  Mit geballten Fäusten hämmert sie gegen die Tür und schreit laut: „Hilfe, Hilfe – hört mich denn keiner? Wir sind hier eingesperrt! Macht die Tür auf!“  Bäng, bäng, bäng…
Steffi legt ihr rechtes Ohr an die Tür und lauscht. Hört sie schlurfende Schritte?
Noch einmal schlägt Steffi mit ihren Fäuste gegen die Tür. „Hier sind wir“, schreit sie so laut sie kann und legt ihr Ohr wieder horchend an die verschlossene Tür.
Ja, draußen ist jemand, sie hört Flüstern, kann aber nichts verstehen.
Bäng, bäng, bäng…

 

Fred und sein Kumpan sind unterdessen wieder auf dem Weg in den 12. Stock. Während der Lift nach oben gleitet, lehnt der Blonde selbstzufrieden grinsend an der Wand des Aufzugs. „Was der Doktor jetzt wohl anstellt, um seine Kleene wiederzukriegen? Der Alte wird mit uns zufrieden sein.“ Fred schaut ihn zweifelnd an. „Mal sehen“, meint er skeptisch.                                                     

Als die beiden an Professor Walters Büro klopfen, wird die Tür so schnell aufgerissen, als hätte er schon dahintergestanden und gewartet. „Na endlich! Das hat ja ewig gedauert. Habt ihr schon etwas?“, bellt er sie an.  

„Die Sache gestaltet sich doch schwieriger als erwartet“, beginnt Fred und hebt beschwichtigend die Hände. „Ich glaube, die Frau weiß wirklich nichts, aber Harry hatte da so eine Idee.“                                                                                          

Der Professor schaut Fred ungläubig an. „Harry und eine Idee?“,  murmelt er in sich hinein. Laut sagt er: „Also, was habt ihr unternommen?“

Fred beginnt von der Aktion mit der Entführung von Paul Kramers Tochter zu berichten, wird jedoch durch einen Wutausbruch des Professors jäh unterbrochen.                      

 „Ja, seid ihr denn noch zu retten?“, schreit er. „Wie könnt ihr auf die hirnrissige Idee kommen, ein Kind in die Sache hineinzuziehen? Wie seid ihr überhaupt an das Mädchen rangekommen?“  

Harry, der inzwischen an Gesichtsfarbe verloren hat, stammelt kleinlaut: „Meine Freundin kennt die Tagesmutter vom Spielplatz, und sie ist einfach zu ihr gegangen und hat erzählt, dass der Doktor noch am Operieren ist und sie die Kleine heimbringen soll. Und da hat sie ihr das Kind mitgegeben. Das war eigentlich ganz easy."                                                                                              „Easy?“ Walters Stimme kippt. „Und was jetzt?“, tobt er. „Kramer wird zur Polizei gehen! Kidnapping eines Kleinkindes – da läuft das volle Programm an. In was habt ihr Vollidioten mich da hineingeritten?“ 

Fred und Harry stehen hilflos da und ziehen die Köpfe ein. Fred war nie begeistert gewesen vom Vorschlag seines Kumpels, hatte aber auch keine bessere Idee gehabt, wie sie an die Informationen, die der Professor verlangt hatte, kommen sollten.                                                      „Wir werden jetzt wieder hinuntergehen und versuchen, ob wir noch was aus der Frau herausbekommen. Vielleicht weiß sie ja doch was,  und das Kind hat ihr so einen Schock versetzt, dass sie…“.                                                                                       

„Nichts, aber auch gar nichts werdet ihr tun!“ Walters Stimme ist jetzt ruhig geworden und eiskalt. „Verschwindet! Raus hier! Ich muss überlegen. Bleibt in Reichweite!"

Die beiden Männer verlassen das Büro, und Walter sinkt erschöpft in den Sessel hinter seinem teuren Gründerzeitschreibtisch. Tommsen, sein engster Mitarbeiter und Vertrauter, hatte ihn dazu überredet, diese beiden Trottel zu engagieren. Er meinte, auf die zwei wäre Verlass. Sie hätten für ihn kleinere Aufträge recht zuverlässig erledigt. Und jetzt das!                                           Walter lockert seine Krawatte und öffnet den obersten Hemdkragen. Er muss Ruhe bewahren, darf jetzt keinen Fehler machen. „Ein Glück“, denkt er, „dass die beiden nicht wissen, um was es hier wirklich geht.“

Doch mit der hirnrissigen Entführung des Kindes ist das ganze Projekt gefährdet. Carsten Walter knirscht mit den Zähnen vor lauter Ärger. Das große Ding, auf das er sein Leben lang gewartet hat!

Er verschränkt die Hände hinter dem Kopf und denkt nach. Er muss Paul erwischen, bevor es zu spät ist und dieser zur Polizei rennt. Dieser Narr, wenn er nur gewollt hätte, dann könnten sie jetzt beide schon reich sein. Doch schon damals, in Syrien, als sie zusammen in ihrer Forschungsarbeit die  chemischen Derivate in der Pflanze entdeckt hatten und auswerteten, die eine Wundinfektion und die drohende Sepsis verhinderte , gab es Ärger. Er wollte die Entdeckung weltweit vermarkten und die Lorbeeren genießen. Paul dagegen wollte einfach nur die Welt retten. „Naiver Gutmensch!“, zischt der Professor.

Im Streit hatten sie sich getrennt, die Forschungsarbeit erregte Aufsehen, aber nur die Pharmaindustrie profitierte. Doch nun, da Walter erkannt hat, dass das Antiseptikum, das die Mikroorganismen abtötet, auch die Lösung sein könnte für die Grundlagen eines Impfstoffs gegen die Lungenpest, die gerade in China wütet, will er die Chance ergreifen. Diesmal aber wird er sich den Kuchen ganz alleine holen. Die Amerikaner, das ist ihm klar, würden sicher ordentlich Geld hinlegen, wenn dieses Corona-Virus vielleicht doch über den Teich käme und die USA verseuchen sollte. Gab es nicht jetzt bereits ernsthafte Stimmen, die mahnten, dass das Virus eine Pandemie auslösen könnte? Er würde schon am Start stehen, während alle anderen noch herumlavieren.

Doch ohne die grundlegenden Analysen, die sie damals in Syrien gemacht hatten, kommt er nicht weiter. Und die hat Paul!

Er gibt sich einen Ruck. Es hilft nichts. Er muss pokern, und zwar gut. Nicht zu viel verraten. Aber dennoch Druck aufbauen. Vielleicht ist das mit dem Kidnapping doch ein gutes Faustpfand, überlegt er.

Entschlossen greift er nach dem Telefon und tippt eine Nummer ein. Es tutet, dann nimmt jemand ab.

„Hier Carsten“, sagt Walter knapp. „Ich habe dir was zu sagen.“

 

Steffi legt ihr Ohr an die Tür. An der anderen Seite steckt jemand einen Schlüssel in das Schloss. Die Tür öffnet sich langsam, und Steffi schaut in das Gesicht einer verängstigten Frau, die ein schwarzes Kopftuch trägt. Der Putzwagen steht hinter ihr im Gang.
„Gott sei Dank, wo ist der Ausgang, exit, salida?“ Schon sieht Steffi die grünen Notausgangsschilder an der Decke, ruft nochmals „Danke!“ und rennt mit Mira auf dem Arm Richtung Ausgang, an den geschlossenen Türen vorbei, hinter denen sie im Vorbeirennen Tierlaute vage wahrnimmt.
„Lass‘ bloß den Ausgang nicht verschlossen sein, wir müssen hier raus.  Raus auf die Straße, dort wird uns jemand helfen“, denkt Steffi und spürt wie ihr Arm, mit dem sie die kleine Mira festhält nass wird.

An der Notausgangstür angekommen, drückt Steffi die Klinke herunter. Die Tür ist nicht verschlossen. Steffi öffnet sie vorsichtig. Hastig rennt sie die Betonstufen hinauf. Oben schaut sie sich um. Zum Glück ist sie auf der Gebäuderückseite in einer kleinen Seitenstraße ans Tageslicht gekommen. Es dämmert schon. Mira rutscht ungeduldig in Steffis Arm herum und will auf den Boden.
„Nein, Mira, jetzt nicht.  Sei ruhig, ganz still – wir spielen Verstecken, ja!“

Auf der anderen Seite der Straße – auf einem unbebauten Grundstück - wächst eine Hecke, hinter der Steffi in Deckung geht. Langsam pirscht sie sich zur Hauptstraße voran, schaut immer wieder um sich. Das Herz klopft ihr bis zum Hals, sie hat panische Angst.

Sie hört ein Auto näher kommen. Steffi nimmt allen Mut zusammen und springt vor die Hecke. Reifen quietschen. Die Autotür wird aufgerissen, ein Mann steigt aus. Er will Steffi anschreien, aber es kommt keine Laut aus seinem Mund. Mit aufgerissenen Augen starrt er sie an.

„Papa“, ruft Mira und streckt ihre Ärmchen nach ihm aus.
Die Beifahrertür öffnet sich. Ein grauhaariger Mann im dunklen Anzug geht vorne um den schwarzen Mercedes herum, eine Pistole in der Hand, die auf Paul gerichtet ist.

„Hinten einsteigen, aber schnell! Dr. Kramer, ans Steuer!“

Erik Tommsen schiebt Steffi mit der Kleinen auf dem Arm grob auf den Rücksitz und zwängt sich, nachdem Paul eingestiegen ist, neben die beiden.  

„Fahren sie los“ herrscht er Paul an „da vorne rechts!“

Paul fährt ohne auf den Verkehr zu achten in die vorfahrtsberechtigte Straße ein. Sein Gedanke ist es, Aufmerksamkeit zu erregen, doch Tommsen durchschaut die Absicht sofort:

„Noch so eine Manöver, und sie können gleich vergessen, aus der Geschichte ohne Schaden rauszukommen!“

 Er dirigiert Paul durch den dichten Morgenverkehr in Richtung Grunewald und weiter nach Dahlem. In der ruhigen Seitenstraße eines exklusiven Villenviertels muss Paul den Wagen in die Einfahrt zu einer privaten Tiefgarage lenken. Das Tor schließt sich sofort wieder hinter ihnen, und sobald der Wagen steht, werden die Türen aufgerissen und zwei bullige Securities zwingen alle rasch auszusteigen. Beim Verlassen der Garage schaut Paul sich nach Tommsen um, doch der ist verschwunden. Sie steigen die Treppe hoch und  gelangen ins Entree einer großzügigen, modernen Villa. Durch eine große gläserne Flügeltür kommt ihnen Carsten Walter mit einem breiten Lächeln entgegen.

„Gut, dass ihr endlich da seid“, begrüßt er Paul und Steffi, als wären sie lang ersehnte Gäste. „Frau Meissner, ich muss mich entschuldigen für die unschöne Behandlung, die ihnen widerfahren ist und auch bei dir, Paul. Meine Leute sind wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen“,  beginnt Walter, doch als er Pauls wütende Miene sieht, wird auch sein Gesichtsausdruck hart und kalt.      

„Du wolltest es anscheinend nicht anders. Hast mir ja keine Wahl gelassen. Du weißt, um was es geht“, zischt er Paul an.           

„Ich weiß sehr wohl, um was es dir geht“, kontert Paul,  „und zwar nur ums Geld. Du hast gar kein Interesse am Wohl von Menschen. Du willst nur deinen Reibach machen, aber dabei werde ich dir nicht helfen.“  

„Du nimmst ja angesichts eurer misslichen Lage den Mund ganz schön voll“ , sagt Carsten Walter. „Du wirst jetzt mit diesen beiden freundlichen Herren hier in deine Wohnung fahren und deinen Laptop holen. Ich nehme ja an, dass du die von uns entwickelten Analysen dort gespeichert hast. Die beiden Damen werden mir inzwischen hier Gesellschaft leisten. Sobald ich die Unterlagen in Händen halte, könnt ihr gehen.“     

Paul schüttelt angewidert den Kopf, fügt sich aber in das Unausweichliche. Während er mit den beiden Männern wieder in die Garage geht, überlegt er fieberhaft, was die Beamten schon unternommen haben. Natürlich hat er gestern Abend, als er Samira vergebens von der Tagesmutter abholen wollte, sofort die Polizei angerufen.

Währenddessen führt Walter Steffi und Samira in einen Salon, der mit stilvollen Nussbaummöbeln ausgestattet ist, und bietet ihnen ein Glas Wasser an. Mira trinkt gierig, während Steffi den Professor wütend anstarrt.

„Das ist Freiheitsberaubung – Sie machen sich strafbar!“, ruft sie.

Er zieht die Augenbrauen hoch, lehnt sich zurück und betrachtet sie gelassen:

„Was Sie nicht sagen, junge Frau.“ Interessiert mustert er seine sorgsam manikürten Fingernägel.

„Lassen Sie wenigstens das Kind gehen!“

Ungeduldig schnipst er mit zwei  Fingern und lächelt sie böse an:

„Das Kind kann mir noch sehr nützlich ein. Was wäre wohl…“

Er unterbricht sich, öffnet eine kleine  Schublade im Tisch und holt ein Glasfläschchen heraus. Er schließt die Schublade wieder und stellt das Fläschchen auf den Tisch, das mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt ist.

„Was wäre wohl, nur einmal angenommen, in diesem Fläschchen wäre das Virus, das im Augenblick China, in Kürze aber die ganze Welt in Atem hält?“

Steffi starrt gebannt auf die kleine Phiole.

„Und was wäre, wenn – nun, wenn das kleine Mädchen eine Injektion bekäme?“ Sein Blick belauert sie. Steffi schluckt.

„Und ich spaziere mit – wie heißt sie noch mal? – ich spaziere mit ihr durch New York. Wir fahren U-Bahn, dort ist es eng, dicht an dicht stehen die Menschen. Und dann, bumm, bricht sie aus, die Pandemie. Und ich, nur ich habe den Impfstoff!“. Er klatscht in die Hände.

Da wird mit einem heftigen Ruck die Türe aufgerissen.

„Hinlegen, auf den Boden, sofort!“ Ein schwarz gekleideter Polizist stürzt herein, die Maschinenpistole auf Professor Walter gerichtet, der die Hände hoch nimmt und langsam in die Knie geht. Fünf weitere Polizisten des SEK drängen in den Salon, stellen sich vor Steffi und Mira und zielen auf Carsten Walter.

Der Kommandeur hilft mit dem Pistolenlauf nach, als sich Prof. Walter nicht sofort flach auf den Boden legt. Ein Kollege legt die Handschellen an und zerrt ihn hoch.

„Abführen!“, befiehlt der Beamte und dreht sich zu Steffi hin, die Mira fest umschlungen hält. Er öffnet das Visier und schaut Steffi besorgt an.

„Frau Meissner, sind Sie ok? Unten wartet der Krankenwagen. Wir nehmen Sie erst mal mit ins Krankenhaus und lassen sie beide durchchecken“.

Steffi ist wie gelähmt. Sie nickt, nimmt Mira auf den Arm und geht vor den Polizisten aus dem Büro.  Vor dem Gebäude wartet bereits ein Arzt, der die beiden in Empfang nimmt. Eine Psychologin legt eine Decke um Steffi und Samira. Sie stellt sich vor, aber Steffi hat den Namen sofort wieder vergessen. Sie geht wie in Trance in den Krankenwagen hinein.

Die Tür schließt sich. Der Wagen fährt mit Blaulicht und Sirene davon.  Mira beginnt zu weinen. „Papa!“, schluchzt sie herzerbarmend.

„Paul, Paul, was werden die Gorillas mit dir machen?“, denkt Steffi und drückt Mira fester an sich.

Dr. Paul Kramer ist inzwischen mit seinen Bewachern in seiner Wohnung angekommen,  und dort wartet bereits jemand auf ihn. Es ist Erik Tommsen der jetzt den Laptop übernimmt und sich anschickt, die Wohnung zu verlassen. 

„Ihr zwei bringt den Doktor zurück und richtet dem Professor aus, dass alles erledigt ist“, weist er die beiden Gorillas an, „Ich bringe das gute Stück gleich ins Büro.“ Damit verschwindet Tommsen ins Treppenhaus.                           

Als er in seinem um die Ecke abgestellten Wagen sitzt, atmet er erleichtert durch. Der Coup ist ihm gelungen! „Jetzt bin ich am Zug,“  denkt er, während er seinen BMW startet. „Ab zum Flughafen!“                                                                      

Schließlich war er es, der Professor Walter auf die Idee gebracht hatte, sich von Dr. Kramer die Analysen zu holen. Er war es, der Fred und Harry ins Spiel gebracht hat, und er war es auch, der der Polizei anonym einen Tipp gegeben hat, wo sie die Tochter des Doktors und seine Freundin finden würden. Seine Kontakte zu diesem Pharmaunternehmen in Holland und die Daten auf dem Laptop, der nun in seiner Tasche auf dem Beifahrersitz liegt, werden ihn aller finanziellen Sorgen entheben. „Amsterdam, ich komme“, murmelt er und grinst.

Die Gorillas fahren unterdessen mit Paul, doch ohne Laptop zurück zur Villa, was beiden etwas Unbehagen bereitet. „Hoffentlich wird der Chef nicht wütend, weil wir die Kiste nicht mit dabeihaben“, meint der eine, wird aber von seinem Kumpel beruhigt: „Der Tommsen ist doch die rechte Hand vom Chef. Der weiß schon, was er tut“.

Sie biegen in die Tiefgarage, deren Zufahrt auf der Rückseite der Villa liegt, ein und werden bereits da vom SEK in Empfang genommen.   Paul stürzt die Treppe hinauf und wird oben vom Kommissar abgefangen und über alles informiert. Nun bekommt er weiche Knie, sinkt auf die nächstbeste Sitzgelegenheit nieder und lässt seinen Tränen freien Lauf. 

Ein Streifenwagen bringt ihn zur Notaufnahme der Charité, wo er endlich nach so vielen Stunden der Angst seine Tochter in die Arme nehmen kann. Und nicht nur sie – auch Steffi drückt er überglücklich an sich und flüstert ihr ins Ohr: „ich glaub', so schnell lass‘ ich dich jetzt nicht mehr los!“     

 

Von Marion Ostner, Christine Fischer und Gesine Hirtler-Rieger           

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