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Poetische Gegenrede

Veröffentlicht am 28.03.2017

Gedichte können zum Wiederspruch herausfordern und zu Umdichtungen inspirieren. Muss man auch heute hinnehmen, dass das Heideröslein vom ungestümen Knaben gebrochen wird? Soll Christian Morgenstern Wiesel auf ewig im Bachgeriesel sitzen, um des Reimes willen?

Das ästhetische Wiesel
                                                                                         

Ein Wiesel

Saß auf einem  Kiesel

Inmitten Bachgeriesel

Wisst ihr

Weshalb?

Das Mondkalb

Verriet es mir

Im Stillen

Das raffinier-

te Tier                                                                               

tat's um des Reimes willen

 

Christian Morgenstern (1871-1914)

 

Mondkalb und Wiesel (Umdichtung)
 

Nehmen wir an,

das Wiesel

sitzt nicht im Bachgeriesel,

sondern fährt im  Diesel

des Jägers, eines gewissen Udo Miesel,

hinten, im Kofferaum mit.

 

Igitt, denkt es, igitt,

was ist das lange Braune

und, heraus aus einer Laune,

drückt es ab und zielt.

Trifft Jäger Miesel

In dessen Diesel.

Und darum, nur darum

Folgt der Tod diesem Bumm.

 

Des einen Leid, des andern Freud,

das Wiesel denkt: Gerechtigkeit.

Säße ich auf dem Kiesel, im Bachgeriesel,

Jäger Miesel schösse mich tot.

 

Unter leichter Gewissensnot

befragt es das Mondkalb,

das vor ihm sitzt, halb

im Schatten, im Licht,

und zu ihm spricht:

 

„Mein liebes Wiesel,

bleib am besten  auf deinem Kiesel,

im Bachgeriesel.

Tu es um des Reimes willen,

und niemand braucht der Försterfrau Leid zu stillen.“

 

von Ursula Ziemsen

 

 

Sah ein Knab' ein Röslein steh'n     (

J.W. Goethe 1827)

Sah ein Knab’ ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell es nah zu sehn,
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.

Knabe sprach: ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.

Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihm doch kein Weh und Ach,
Mußt’ es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.

 

 

Sah ein wildes Mägdelein
 
Sah ein wildes Mägdelein
diesen liebestollen Knaben stehen
nahm ein Röslein
pikste ihn

von hinten
hat sie es getan
sich angeschlichen
und dann
den Dorn
ins Fleisch geträut

Ist dann abgehauen
mit schnellem Schritt
nichts hat sie bereut
sie war fit

Er mußte es erleiden
Wie kommt er auch dazu
ihr so einen frechen Brief
zu schreiben

Heidebraut hat er sie genannt
seine Braut sollte sie sein

Das wilde Mägdlein stach ihn
durchs Hosenbein
und brach den Kontakt
auf diese Weise ab
 
Ilona Haslbauer

 

 

 

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