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Sommer-Sinnfonie 2014

Veröffentlicht am 09.07.2014

Vogelgezwitscher

Er bringt sich in Position

Er prüft seine Wirkung

Er rückt noch ein bisschen vor

Er wartet auf den richtigen Moment

Er bläht sich das Bäuchlein auf

Es streckt sich das Köpfchen

Es legen sich die Flügel an

Doch dann geht es los wie ein sich entfachendes Feuer im Wald

Vogelgezwitscher

Federblaues Hüpfeding in  birkenweißer Zackenpracht

Hellgrüne und signalrote Spitzen

Spritzen eine lindgrüne Fontäne in das laue Himmelsblau

 

Vogelgezwitscher ist wie der Blick

in das überfüllte Wartezimmer eines Internisten für verstimmte Musikinstrumente

Wie eine Wasserfontäne, die in sich zusammenfällt

Um dann erneut aufzusteigen

Und in vielen tausend einzelnen Tröpfchen zu Boden zu fallen

Wie ein üppiges Collier, aus dem einzelne Steine hervorstechen

funkelnde Brillanten, schimmernde Opale

dazwischen das eine oder andere unscheinbare Silberkügelchen

Jeder Stein schön für sich

doch erst Seite an Seite ein wunderbares Unikat

Vogelgezwitscher ertönt und leuchtet wie die blinkenden Lichter

 an der Fassade eines Kaufhauses im Abendrot

 

Sommergewitter

Es ist klebrig und heiß

Es drückt heraus den Schweiß

Die Anspannung kribbelt durch den Körper

Und dann zuckt alles befreit zusammen

Und eine angenehme Kühle breitet sich aus

 

Sommergewitter fühlt sich an wie die Berührung eines Gewehrlaufs

Während sich des Schützen Finger krümmt

Der Donner lässt mich zusammenzucken

Automatisch fange ich an zu zählen

21, 22, 23…bei 29 zucke ich erneut zusammen

Ein Blitz zerschneidet vor mir den Himmel

 

Heiß fühlt es sich an, wenn es loszischt  wie ein Dampftopf

und du öffnest den Deckel und verbrennst dir die Finger

spürst, wie dir die schwüle Luft ins Gesicht klatscht

und Hals über Kopf entweicht

und es wird kühler

als ein frischer Windhauch deine Wangen küsst

 

Das Gewitter naht wie eine tanzende Nähmaschinennadel

Die im Zickzack

Über dämmerblaue Seide zuckt.

Geballte Energie krallt sich in den Leib, stachelig zuckend

schmerzende beklemmende Schwere

Entgegen prallender Sturmeswind zerzaust, streichelt und braust

Krampfendes Zucken erstarrt und wird zu triefend nassen Nadelspitzen

 

 

Eine aufblühende Rosenknospe

Schmeckt wie Blut im Mund des Vampirs nach allzu langer Hungerzeit

Die Rosenblätter breiten sich immer weiter aus

Ich fühle ihren samtigen Geschmack auf der Zunge

Zart schmeckst du, Rosenrot

wie ein duftiger Rosé, den ein Hauch von Lavendel umweht

Beim ersten Schluck bist du noch ganz schüchtern

nur ein mineralischer Zungenstupser

Doch dann öffnest du dich mit jedem Nippen

bis du wie eine Walderdbeerenbombe im Mund explodierst

 

Nach wildem Honig schmeckt die Knospe

nach Zuckerwatte und feinem Engelshaar

Zartbittere Schokoblättchen in Creme getaucht

Mit süßer Sahne und Vanillecreme

Gestrichen auf locker leichtem Biskuit, getränkt mit mildem Rum

Belegt mit eierlikörgetränkten Rosinen

sahnigen Windbeutelchen und klebrig süßen Cocktailkirschen

Sie schmeckt verführerisch zart

Sinnlich weich wie eine Komposition aus Wasser, Blume, Wind und Sonne

 

Sonnenaufgang morgens um 4.30 Uhr

Über die Baumwipfel sehe ich die Sonne heraufklettern

Der ganze Himmel strahlt rosa

Der Geruch nach feuchter kühler Luft dringt mir in die Nase

Es riecht nicht mehr noch nicht

Nicht mehr nach dem Gestern, der Nacht

den Zigaretten, dem Wein, dem nahen Atem des anderen

nicht mehr nach Abenteuer und Kerzen

Und noch nicht… noch nicht nach Morgen

nach Tag, nach frischem Gras und Kaffee und den Backstuben

Meine Nase ist leer.

 

Es riecht nach dem Rauch der ausgetretenen Glut

Nach rosafarbener Asche und sanft verkohlenden Lavendelblüten

Es riecht wie  verkohlter Alptraum und fliehende Angst

Leichtes Modern weicht der feuchten Frische

Es riecht nach Gras, nach Schnee, nach Regen, nach Hitze.

Es duftet nach Meer und frischer Luft

Das Aroma der Bäume und des Salzes wird immer stärker

bis es mich ganz durchströmt

 

Sonnencreme auf der Haut

wie ein Vogelschiss auf der Teakholzbank

ein Batzen, der dort nicht hingehört

sich beim Verwischen verflüchtigt

Aber doch immer noch da ist, verkleckert, verschliert, verweißt.

Sonnencreme auf der Haut

Wie der Piz Palu mit seiner eisigen Schneehaube

So thront der weiße Klecks hoch aufgetürmt

Auf rotbraunem Wüstensand

Steil ragend die glänzenden Wächten auf

Bevor sie sanft in der Sonne zerfließen und eine silberne Spur hinterlassen

Die glitzernd jede Hautschuppe umschließt

Wie ein Juwel

 

Glänzend fettig

Milchig weiß und fleckig rot

Panade auf der Haut

Panierte Schnitzel am Strand

Ein riesiger Klecks,  der langsam flacher wird

Und glänzt wie ein frisch mariniertes Hähnchen

Bläulich schimmert‘s wie Kunsteis

Kurz bevor die Schlittschuhläufer

In die Halle strömen

Kreise, Linien, Startbahnen, Ufo-Landeplätze

Und immer wieder Veränderungen

Alles kann entstehen beim Einkremen eines Rückens

Dann noch einmal großzügig darüber gewischt

 und alles Aufregende ist verschwunden

Nur noch ein Rücken

mit Sonnencreme.

Von Joachim Biedermann, Elisabeth Fischer, Gesine Hirtler-Rieger, Doris Kronawitter, Kathrin Niemela, Ulrike Roll

Dieser Text entstand in der kreativen Schreibnacht "Mit allen Sinnen" im Juli 2014


 

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